Merleau-Ponty zufolge können wir die menschliche Wahrnehmung nur dann nachvollziehen, wenn wir uns von der klassischen Psychologie verabschieden, die von einem abgekapselten und starren, von seinem Körper und von der Welt isolierten Ich ausgeht. In Wirklichkeit gelangen wir aus dem Mutterleib durch den Geburtskanal in eine Welt, in die wir gleichfalls völlig eintauchen. Dieses Eingetauchtsein dauert an, solange wir leben – auch dann, wenn wir uns von Zeit zu Zeit aus der Welt zurückziehen, um nachzudenken oder zu träumen. Anders als für Sartre in Das Sein und das Nichts ist für Merleau-Ponty das Bewusstsein kein vom Sein radikal getrenntes «Nichts», ja nicht einmal eine «Lichtung» wie für Heidegger. Merleau-Pontys Metapher für das Bewusstsein ist die «Falte»: eine «Falte, die sich im Sein gebildet hat und auch wieder verschwinden kann». Wie bei einem Stück Stoff, den man einschlägt, um eine kleine Vertiefung oder Höhlung zu schaffen; die Falte bleibt erhalten, bis man den Stoff wieder glattstreicht. Diese Vorstellung des bewussten Ichs als provisorische Höhlung im Stoff der Welt hat etwas Verführerisches, ja Erotisches: Es gibt ein Refugium, einen Ort, an den ich mich zurückziehen kann, aber ich bin zugleich Teil des Gewebes der Welt, und solange ich hier bin, bin ich aus diesem Stoff geformt.
Sarah Bakewell, Das Café der Existenzialisten