Immer wissen wir mehr, als wir zu sagen wissen. ... Während wir sprechen, tanzen unsere Gedanken begleitend auf dem Strom der Kommunikation herum, tauchen auf und wieder ab, verlieren sich, erleuchten manches, was gesagt wird, während sie uns von anderem ablenken. Und nie schaffen wir es, sie alle zu sagen – denn unsere Gedanken sind einfach rasant viel schneller als alles, was wir sagen könnten.  ... Friedrich Schiller formuliert 1795 das bekannte Distichon: »Spricht die Seele, so spricht ach! schon die Seele nicht mehr«. Diese schöne Formulierung ist zweite Zeile eines Epigramms; dessen erste fragt mit Ausrufezeichen: »Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen!«, und dann gibt Schiller die Antwort, dass die Seele eben nicht sprechen könne. Sich aussagen, etwas von sich mitteilen, so die Entdeckung dieser prägnanten Zeilen, scheitert daran, dass das sprechende Subjekt in uneinholbarer Distanz im Augenblick des Sprechens zu sich situiert ist. Es kann nur von etwas aussagen, das in dem Augenblick schon kein Subjekt, sondern Objekt wird; Objekt einer Aussage über es, das Subjekt. … An das genannte Distichon schließt er eines an, das »An den Dichter« gerichtet ist. Es lautet:

»Laß die Sprache dir seyn, was der Körper den Liebenden; er nur 
Ists, der die Wesen trennt und der die Wesen vereint.«

Schien also jede Seele unaufschließbar in ihr körperlich-individuelles Gehäuse verbannt, so weist Schiller hier doch einen Ausweg zur communio. … Sicher aber ist, dass eine scharfe kontrastive Gegenüberstellung von Sprechen und Körper so nicht aufrechterhalten werden kann und auch nicht sollte. Denn jene Form der Liebe, die auch in der Therapeutik sublim ins Spiel kommen muss, ohne Regeln und Grenzen zu verletzen, artikuliert sich im gesprochenen, heilenden Wort. Teilt sie sich körperlich mit, wären zu respektierende Grenzen schon verletzt. Heilend ist dennoch die Überwindung jener Trennung, die durch die Individualität der Körper gegeben ist; sie kann in der Liebe körperlich überwunden werden. In der Psychotherapie hingegen braucht es das Sprechen. Die Worte Schillers könnten also auch als an uns Therapeuten gerichtet gelesen werden: dass wir die Sprache uns sein lassen, was der Körper den Liebenden ist. Die Wiedervereinigung findet im Medium des Symbolischen statt. 
Michael Buchholz, Wie sich implizites Wissen bei Therapeuten entwickelt