Die Rede von der Gewissheit hat eine lange Geschichte. Wie wir wissen, gehen seit Platon Gewissheit und Gewalt miteinander einher. Seit jenem ersten Gleichnis von den Gefangenen in der Höhle, die nur Schatten sehen, herrscht die Ansicht vor, dass es der Gewalt bedarf, um die Menschen aus der Höhle hinaus ins Licht zu führen, um sie aufzuklären. … Meiner Ansicht nach liegt eines der großen Verdienste der Psychoanalyse darin, uns gelehrt zu haben, dass es keine Heilung gibt. Dass es immer eine gewisse Unvollständigkeit gibt, ein gewisses Maß an Leid in der Welt, an Unglück, das unserem Dasein eingeschrieben ist. Und dass es zu einer Deformation kommt, sobald wir glauben, darüber hinweggekommen zu sein.
William Kentridge, In Verteidigung der weniger guten Idee. Sigmund Freud Vorlesung 2017